Variable Vergütungsbestandteile als Motivation in der Unternehmensethik

Grundlegende Überlegungen

Die nachhaltige Verankerung ethischer Werte im Unternehmen erfordert ein Umdenken bei der Bemessungsgrundlage von variablen Vergütungsbestandteilen

Anlässlich einer Unternehmertagung mit dem Thema „Unternehmerische Herausforderung: Wirtschafts- und Finanzkrise“ wurde ich von einem Teilnehmer gebeten, einen Überblick über die Entwicklung von Non-Financial-Elements bei der Bemessungsgrundlage von Bonuszahlungen zu geben. Eine sehr gute Frage, die mich dazu bewogen hat, mich mit dem aktuellen Stand der Diskussion zu diesem Thema auseinanderzusetzen.

Bereits am
16. September haben wir an dieser Stelle angemerkt, dass eine ausschließliche Koppelung der Bonuszahlungen an den Jahresüberschuss zuwenig ist, selbst wenn man ein Mittel aus zwei oder drei Jahren zugrunde läge. Wie wäre es, wenn neben der Profitabilität, die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Produktivität, die Stellung im Markt oder die Innovationskraft des Unternehmens Berücksichtigung fände? Nur wenn die Berechnungsgrundlage auf breitere Füße gestellt wird, fördern wir wieder langfristiges und strategisches Denken im Unternehmen.

Zwischenzeitlich ist einiges von der Bundesregierung auf den Weg gebracht worden. Die Bundesbank hat Standards zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MARisk) von Banken definiert, die bis zum 31.12. 2009 umgesetzt werden mussten. In einem Schreiben des BaFin vom 14.8.2009 heißt es zu dem Thema Vergütungsregelungen: „Aggressive Vergütungssysteme haben – neben anderen Faktoren – mit zur Finanzmarktkrise beigetragen. Fehlanreize in den Vergütungssystemen führten teilweise zu extremen Ausweitungen von Risikopositionen… Nach den „allgemeinen Anforderungen“ ist z.B. sicherzustellen, dass die Vergütungssysteme mit den in den Strategien niedergelegten Zielen in Einklang stehen. Die Vergütungssysteme müssen ferner so ausgerichtet sein, dass schädliche Anreize zur Begründung unverhältnismäßig hoher Risikopositionen vermieden werden. Abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten sowie der Vergütungsstruktur des Instituts hat die Geschäftsleitung ferner einen Ausschuss einzurichten, der sich mit der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme befassen soll.“

So wichtig diese neuen Regelungen sind, stellen sie für alle, die sich auf den Weg machen wollen, ethische Werte nachhaltig in ihrem Unternehmen zu etablieren, nicht mehr als eine Vorstufe für erste Überlegungen dar. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, variable Vergütungen an die Erreichung strategisch wichtiger Unternehmensziele zu binden. Wirtschaftsethisch haben diese neuen Regelungen also nur dann Auswirkungen, wenn die mittel- und langfristigen Ziele der Banken endlich auf dem Boden werteorientierter Unternehmensführung definiert werden. Bleibt zu hoffen, dass die Vorschriften des MARisk ständig weiterentwickelt und um solche zur Messung und Einhaltung ethischer Werte ergänzt werden.
Stefan Drägert

Neudefinition der Bemessungsgrundlage

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung äußerte sich der Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen, Ulrich Thielemann ablehnend gegenüber jeglichen Leistungsanreizen für Banker durch variable Vergütungsbestandteile. Die Frage, ob er grundsätzlich gegen Leistungsanreize sei, beantwortete er so: »Letztlich ja. Weil Anreize die Mitarbeiter zu Instrumenten einer ökonomischen Radikalisierung degradieren. Und weil eine gemäßigte, verantwortungsvolle Unternehmensführung damit kaum möglich ist.«

Ist es also das Maß aller Dinge, Bonuszahlungen ganz zu verbieten? Thielemann kann dahingehend gefolgt werden, dass Vereinbarungen über erfolgsabhängige Gehaltszahlungen die Aktivitäten der Mitarbeiter in Richtung der Ziele lenkt, für die der Bonus ausgelobt wird. Aber macht dies den Bonus tatsächlich verwerflich? Nein! Die jüngsten Erfahrungen mit falschen Gehaltsanreizen im Bankbereich, die zweifelsohne einen großen Anteil am Entstehen der Finanzkrise hatten, zeigen doch lediglich, das erfolgsabhängige Gehaltszahlungen funktionieren. Nicht die Gewährung von Boni lenkt die Wirtschaft in eine falsche Richtung, sondern falsch definierte Kriterien, welche wiederum ein Indiz dafür sind, dass die strategische Unternehmensausrichtung nicht abschließend definiert ist.

Ein Blick auf die Kriterien, die ein Mitarbeiter erfüllen muss, um einen Bonus zu erhalten untermauert, dass meist das Erreichen kurzfristiger, monetärer Ziele belohnt wird. Wenn ausschließlich Umsatzziele definiert sind, muss man sich nicht wundern, dass der Mitarbeiter alles tun wird, um einen möglichst hohen Umsatz zu erzielen. Wie dieser zustande kommet und ob das Unternehmen nachhaltig von diesen Umsatzgeschäften profitiert, gerät dabei in den Hintergrund. Erst wenn die reinen Umsatzziele von weiteren monetären und nicht-monetären flankiert werden, wird ein Unternehmen nachhaltig erfolgreich sein. Im Falle der Banken hätte allein eine Berücksichtigung von notwendigen Wertberichtigungen in den zwei auf den Jahresabschluss folgenden Jahren geholfen, die dramatischen Fehlentwicklungen zu verhindern. Der Fokus der Banker wäre von einem kurzfristigen auf einen mittelfristigen Zeitraum gelenkt worden. Die Einschränkung des monetären Ziels »Umsatzhöhe« durch das monetäre Kriterium »Wertberichtigung im Folgejahr« bewirkt bereits eine deutliche langfristigere Ausrichtung bei dem Eingehen von Umsatzgeschäften und minimiert allein dadurch das Risiko.

Ein um vieles größerer Effekt ließe sich erzielen, wenn auch nicht-monetäre Kriterien in die Berechnung der erfolgsabhängigen Vergütung einfließen würden. Berücksichtigt man Kundenzufriedenheit, nachhaltige Rendite und ethische Grundsätze, ließen sich Exzesse und damit Krisen wirkungsvoll eindämmen. Aber diese Aspekte setzen voraus, das langfristige strategische Unternehmensziele definiert wurden, die weit über kurzfristige Profitmaximierung hinausgehen.
Stefan Drägert

Verzahnung von Unternehmenszielen mit Vergütungsanreizen

Bonuszahlungen sind für sich genommen völlig wertneutral. Sie fokussieren Mitarbeiter auf die Erreichung der prämienunterlegten Ziele. Erst die Bemessungsgrundlage entscheidet darüber, welche Qualität Bonusregelungen haben, ob sie den kurzfristigen Erfolg suchen oder dem operativen Management den Weg zur Erreichung der strategischen Unternehmensziele weisen.

Soll das Instrument der variablen Arbeitnehmer- Erfolgsbeteiligung die nachhaltige Unternehmensentwicklung unter Berücksichtigung wirtschaftsethischer Grundsätze sicherstellen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die definierten Unternehmensziele eng mit deren Bemessungsgrundlage verzahnt sind. In der Unternehmenswirklichkeit ist jedoch sehr oft zu beobachten, dass die unternehmensstrategischen Ziele nicht abschließend definiert sind. Viel zu oft wird hier im Vagen operiert. Nur wenn dieser wichtige Bereich umfassend definiert ist und daraus langfristige Ziele formuliert wurden, können daraus Handlungsanweisungen für das operative Management abgeleitet werden, die später den Rahmen für eine Bonusstruktur bilden. Dieser Rahmen gibt die notwendigen Impulse sowohl für die kurzfristige operative als auch die mittelfristige strategische Unternehmensentwicklung vor.

Das Ziel auch unternehmensethische Aspekte in der erfolgsabhängigen Vergütung zu berücksichtigen, erfordert auch nicht-monetäre Faktoren in die Bemessungsgrundlage aufzunehmen. Damit stellt sich die Frage, wie entsprechende Erfolgskriterien definiert und Fortschritte messbar gemacht werden können. Denn nur was gemessen werden kann, kann auch gemanagt werden.

Stefan Drägert

Messen von nichtmonetären Kriterien

Sofern unternehmensethische Anreize von der erfolgsabhängigen Vergütung ausgehen sollen, stellt sich die Frage, wie entsprechende Erfolgskriterien definiert und Fortschritte messbar gemacht werden können. „Balanced Scorecard“ (BSC) hat als erstes versucht, durch objektive Kennzahlen integriertes Management abzubilden. Dabei wurden von Anfang an auch nicht-monetäre Aspekte berücksichtigt, die ein laufendes Controlling der Fortschritte im ganzheitlichen Management ermöglichen.

Wie kann dies in der Praxis aussehen? Ein Unternehmen hat sich dazu entschieden, seine Mitarbeiter mit individuellen Zielvereinbarungen zu führen. Dies soll die Mitarbeitermotivation im Unternehmen steigern und gleichzeitig erreichen, dass zielorientierter gearbeitet wird. Die definierten strategischen Unternehmensziele und die daraus abgeleiteten operativen Ziele jeder Abteilung wurden unternehmensintern öffentlich gemacht. Darüber hinaus soll laufend über den Fortschritt der Zielerreichung berichtet und die Ziele dynamisch fortgeschrieben werden. Der Erfahrungsschatz der Mitarbeiter soll in einem internen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) einfließen.

Als erste Kennzahl eignet sich der Prozentsatz der Mitarbeiter, die sowohl die strategischen Unternehmensziele als auch die operativen Ziele der einzelnen Abteilungen kennen. Natürlich wird die Zielerreichungsquote abgebildet. Im Bereich der dynamischen Zielfortschreibungen könnte man erfassen, wie viele Rückmeldungen es zu den Zielvorgaben gegeben hat. Waren sie qualifiziert oder erfolgte nur eine Statusangabe? Wie viele Veranstaltungen gab es zum innerbetrieblichen KVP? Wie hoch ist die Quote von Verbesserungsvorschlägen aus der Mitarbeiterschaft? Wie viele davon wurden umgesetzt und prämiert?

Ein Wort zum Balanced Scorecard Verfahren. Grundsätzlich sind sehr gute Impulse von ihm ausgegangen. Leider ist es oft zu einem undurchdringlichen Geflecht von Kennzahlen verkommen, das versucht alle Aktivitäten in Kennzahlen zu pressen. Weniger ist auch hier häufig mehr. Auch wurden in diesem Zusammenhang strategische Ziele definiert, die mehr Allgemeinplätze als individuelle strategische Zielvorgaben waren. Abhängig von der Unternehmensgröße lese ich Sätze wie: „Wir wollen regionaler, nationaler oder internationaler Marktführer in unserem Marksegment werden“ in Unternehmens-Scorecards. Dieser Zustand ist aber lediglich das, was Berater aus diesem System gemacht haben. Letztendlich kann BSC nur so gut sein, wie die Strategie und die Werte, die als Grundlage definiert worden sind.
Stefan Drägert

Individuelle Defininition von Unternehmenszielen

Intelligente Bonusstrukturen zur Förderung einer nachhaltig positiven Unternehmensentwicklung, erfordern etwas Aufwand. Ethische Unternehmenswerte müssen neben den betriebswirtschaftlichen Werten in den Fokus der Führung rücken. Es reicht nicht aus, diese einmal zu definieren und danach ad acta zu legen. Genau wie im Umgang mit rein betriebswirtschaftlichen Fakten empfiehlt es sich auch hier Kennzahlen zu definieren, die ein kontinuierliches Management ermöglichen und Trends erkennen lassen.

Mehr noch als betriebswirtschaftliche Fakten, die allgemein geläufig sind, sollten unternehmensethische Werte nachhaltig kommuniziert werden, damit sie Teil der gelebten Unternehmenskultur werden. Eine Berücksichtigung bei der erfolgsabhängigen Arbeitnehmervergütung unterstreicht die Ernsthaftigkeit dieses Anliegens und wird entscheidend zum nachhaltigen Unternehmenserfolg beitragen. Doch lohnen sich am Ende alle Anstrengungen und die mit der Einführung einer modernen, ganzheitlichen variablen Vergütungsstruktur zusammenhängenden Kosten?

Ja! Ethisches Handeln schafft Vertrauen. Dieses Vertrauen entsteht nicht über Nacht, macht aber aus Kunden Fans, die nicht nur Ihre Produkte kaufen, sondern Sie aktiv weiterempfehlen. Es bindet Leistungsträger langfristig und stärkt die Identifikation des Personals mit dem Unternehmen. Münden diese Aktivitäten in soziale Verantwortung für die Menschen am Ort des Unternehmenssitzes, wird das Unternehmen Aufmerksamkeit weit über Kunden und Mitarbeiter hinaus erhalten. Dies wird weitere Leistungsträger anziehen und qualitatives, nachhaltiges Wachstum ermöglichen. Es war noch nie leicht, zu den besten zu gehören, aber es ist der Mühe wert! Schließlich hat die Finanzkrise gezeigt welche Auswirkungen eine fehlgeleitete Unternehmensstrategie haben kann.

„Gewinn ist nützlich, wenn er in seiner Eigenschaft als Mittel einem Zweck zugeordnet ist, welcher der Art und Weise seiner Erlangung ebenso wie der seiner Verwendung einen Sinn verleiht. Die ausschließliche Ausrichtung auf Gewinn läuft, wenn dieser auf ungute Weise erzielt wird und sein Endzweck nicht das Allgemeinwohl ist, Gefahr, Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen.“ schreibt Papst Benedikt XVI. in seiner Sozialenzyklika. Wenn wir das nicht beherzigen, laufen wir Gefahr in Krisen hinein zu steuern, die deutlich teuerer werden als die 4,5 Billionen Euro der aktuellen Finanzkrise. Zeigen wir, dass wir die richtigen Lehren gezogen haben.

Stefan Drägert