Transparenz - der Imperativ wertorientierter Führung

Woher beziehen große Teile der Bevölkerung ihre Wertvorstellungen? Wer ist Hauptzulieferer der Bestandteile für den Wertekanon einer immer größer werdenden Anzahl unserer Bevölkerung? Nach wie vor gilt, dass Vorbilder eine große Rolle für die Akzeptanz von Werten und die Übernahme in das eigene Wertesystem bilden. Doch wer sind diese Vorbilder im 21. Jahrhundert? Klar ist aus welchen Bereichen sie nicht kommen: Aus Wirtschaft und Politik!

Werte kann man nicht einfach so verordnen. Werte müssen (vor) gelebt werden. „Walk your talk“ sagt man im Englischen. Kürzer und prägnanter kann man es nicht zusammenfassen. Erst wenn andere an mir beobachten, wie ich mich im Alltag verhalte, fangen sie überhaupt an, sich mit meinen Werten auseinanderzusetzen. Nichts ist kontraproduktiver bei der Etablierung von Werten als Wasser zu predigen und Wein zu trinken. Um abwägen zu können, ob bestimmte Werte für einen selbst erstrebenswert sind, benötigt man jede Menge Informationen. Wer ist der Mensch oder die Institution, der diese Werte propagiert. Ist er oder sie glaubwürdig? Werden diese Werte selbst gelebt? Welche Vorteile bringt es einem selber, diese Werte zu übernehmen?

Um entscheiden zu können, ob man sich mit bestimmten Werten, mit dem Menschen, mit dem Unternehmen identifizieren kann, sind Hintergrundinformationen notwendig. Im persönlichen Umfeld oder in einem kleinen Unternehmen sind diese Informationen sehr leicht zu erhalten, weil allein die fehlende Größe Transparenz garantiert. Je größer ein Unternehmen oder eine Institution ist, desto schwieriger wird die Informationsbeschaffung und damit der  Beurteilungsprozess für den Einzelnen. Fehlen verifizierbare Informationen, wird das Vertrauen verweigert.

Richten wir unser Augenmerk daher kurz auf die Informationsbeschaffung der einzelnen Mediennutzer. Tagesaktuelle Informationen werden nach wie vor aus Nachrichtenformaten bezogen. Entweder traditionell aus Print-, Rundfunk- oder Fernsehnachrichten oder aus dem vielfältigen Onlineangeboten der großen Verlage. Geht es jedoch um die gemeinsamen Grundwerte unserer Gesellschaft, hat sich ein erstaunlicher Wandel vollzogen. Die Orientierung an Vorbildern aus Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft ist nahezu vollständig der Orientierung an Protagonisten von TV-Serien oder Daily Soaps gewichen. Wertvorstellungen, die in diesen Serien nicht vorkommen, existieren für eine ständig wachsende Zahl von Zuschauern nicht mehr. Dieses Phänomen ist weltweit zu beobachten. Die in einer solchen TV Produktion vorgelebten Werte werden als Orientierungspunkt für die eigene Werteskala herangezogen.

Man mag diese Entwicklung belächeln, läuft dann aber Gefahr die Gründe dieser Entwicklung zu übersehen. Offensichtlich haben wir uns als Vertreter der Wirtschaft oder Politik in der Vergangenheit nicht so verhalten, dass wir die Majorität davon überzeugen konnten, dass man uns und unseren Werten vertrauen kann. Auf den Punkt gebracht traut man einem Soapcharakter und seinem Darsteller mehr Integrität und Führungskompetenz zu als uns Führungskräften!
Diese Vertrauenskrise ging der Finanzkrise weit voraus. Zwar bewundert man auf der einen Seite die Fachkompetenz unsere Führungskräfte, hält Ihnen andererseits aber mangelnde Integrität und persönliches Machtstreben vor. Selbstverständlich trifft diese Wahrnehmung auf die meisten Führungskräfte nicht zu. Sie leisten kompetent und loyal Ihren Beitrag zum Wachsen der Volkswirtschaft. Es gilt aber das Vertrauen der Kunden, Mitarbeiter und der Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Dies wird nur gelingen, wenn im Rahmen des Möglichen die Unternehmenskultur transparent gemacht wird. Dafür müssen Unternehmenswerte definiert und im Alltag etabliert werden. Unternehmen, denen dieses gelingt werden auch in Krisenzeiten wachsen.